EINFÜHRUNG ZUR AUSSTELLUNG HANNAH A. HOVERMANN - EVELINA VELKAITÉ / 15.9.2017 / KUNSTVEREIN FRECHEN
Man kann den Frechener Kunstverein nur beglückwünschen, dass er den Mut hatte, mit Hannah Hovermann und Evelina Velkaité zwei künstlerische Positionen auszustellen, die den bisher gewohnten künstlerischen Bildbegriff in Frage stellen und die jenseits des derzeitigen Mainstreams liegen.
In den Bildern beider Künstlerinnen spielen Farbe und Licht eine Rolle, bei beiden geht es um das Auftauchen und Verschwinden, und beide problematisieren den Bildraum. Da hören die Vergleiche aber schon auf, denn gegensätzlicher könnten die Positionen nicht sein.
Hannah Hovermann, die in den 80er Jahren an der Kunstakademie Düsseldorf studierte und danach an der Hochschule für Kunst und Kunsttherapie in Ottersberg, arbeitet seit 1991 freiberuflich als Künstlerin und Kunsttherapeutin. In einer selten anzutreffenden Konsequenz hat sie in den letzten 20 Jahren ihre eigene künstlerische Position im Bezugsfeld der Farbmalerei ausgebaut.
Gehen wir zunächst einmal davon aus, was wir sehen.
Ich beziehe mich auf das Bild, das man als erstes sieht im Büro gegenüber der Eingangstür. 105 cm im Quadrat, eher rechts als mittig ein fast runder Fleck von etwa 40 cm Durchmesser, in einer transparenten Farbigkeit, die vom rechten Rand in Gelb über Orange, Rot, Dunkelrot, fast Schwarz, nach links oben ins Blau, nach links unten ins Grün übergeht. Das Gelb am rechten Rand sticht hervor, bei Tageslicht dagegen wirkt das Rot stärker. Doch stimmt diese Beschreibung? Hat dieser Fleck wirklich einen Rand? Hat er wirklich 40 cm Durchmesser, oder ist er viel größer, trägt vielleicht sogar die umgebende weiße Fläche noch Reste von Farbspuren, die weiße Fläche, in die dieser wolkige Fleck zu verschwinden scheint?
Nur ein Teil des naturweißen Aquarellkartons wird von runden oder zumindest gekurvten Farbflächen eingenommen. Sie sind so transparent aufgetragen, dass sie noch die Papierfarbe durchscheinen lassen. Die im Zentrum stärker verdichteten Flächen werden zum Rand hin dünner, verblassen allmählich, bis sie im Papierweiß verschwinden, im Nichts aufgehen. Sie kommen aus dem Nichts und sie verschwinden im Nichts. Besonders wird dies an den beiden in der Galerie hängenden Bildern deutlich, in denen die blasse Farbe im Weiß verschwindet. Die Künstlerin erreicht die faszinierende Luminanz durch das Auftragen unzähliger Schichten dünner Aquarellfarbe, bis zu 200 hat sie einmal preisgegeben, in einer meditativen und aufwendigen Lasurtechnik, fast ausschließlich auf Papier. In den letzten Jahren hat sie nach zahlreichen Experimenten einen schweren, saugfähigen Büttenkarton
gefunden, der ihren Anforderungen genügt. Seit ein paar Jahren verwendet sie nicht mehr den Pinsel, denn sie will alle Spuren künstlerischer, malerischer Bearbeitung tilgen, und versprüht die Farbe mit einer Spritzpistole. Nichts, keine Pinselspur und keine Tropfenbildung soll die Begegnung des Betrachters mit diesen Farben hoher Transparenz und Leuchtkraft stören. Dieser Eindruck des Entstehenden, Verwehenden, Fließenden, er soll nicht durch die Wahrnehmung eines Kunstanspruchs abgelenkt werden. Durch die mühsame vielschichtige Auftragsweise , die dennoch so leicht wirkt, intensivieren sich die Farben, sie scheinen zu vibrieren, zu fluktuieren, und damit verwirklicht sich ein wichtiges Ziel ihrer Malerei: Farbe wird als Energie spürbar. In der Verschleierung ihrer individuellen Autorschaft tritt sie fast demütig ganz hinter das Farbe-Licht-Phänomen zurück, so wie es auch für mittelalterliche Maler und Bildhauer völlig unerheblich war, ihre Autorschaft durch eine Signatur zu bekennen. Für diese diente die Kunst "der höheren Ehre Gottes". Auch Hovermann dient einem höheren Ganzen, sie will Farbe als eine Essenz sinnlich erfahrbar machen. Ein Versuch, damit den unendlichen Energieströmen des Universums nahe zu kommen.
Wir sind durch unser gestalthaftes Sehen gewohnt, selbst in Wolken, in Aufschlüssen von Steinbrüchen, in Wasserflecken auf verblassten Decken noch lebendige Formen zu sehen. Sehen wir hier noch Formen? Hannah Hovermann unterläuft unser Gestaltsehen. Formen setzen eine Begrenzung voraus, eine Abgrenzung gegenüber dem umgebenden Hintergrund oder anderen Formen. Im Unterschied zu früheren Bildgestaltungen lässt die Künstlerin ihre Farb-Licht-Phänomene nicht mehr zu einer definierbaren Form gerinnen. Sie ist an der Diffusität, der Auflösung, der Entgrenzung interessiert, begründet ihren Verzicht auf definierte Grenzen damit, dass ja auch das Licht unbegrenzt sei.
Nur durch den Rand des Bildträgers ist das Aufblühen, das wolkige Pulsieren begrenzt, das uns an einen Regenbogen erinnern könnte, wie er sich in der Luft zu verdichten und dann wieder zu verblassen scheint, oder an das Licht, das durch ein farbiges Kirchenfenster auf den Boden fällt. Aber auch die Begrenzung, die der Bildrand, hier der des Papiers, notgedrungen bietet, ist nur eine materielle, in unserer Vorstellung denken wir das gesehene Farblichtphänomen weiter, über den Bildrand hinaus.
Lässt sich das, was die Künstlerin hier geschaffen hat, überhaupt als Bild bezeichnen? Wir berühren hier eine medientheoretische und wahrnehmungsphilosophische Diskussion, die zwar auf die Antike zurückgeht, aber vor etwa 25 Jahren angesichts der uns überschwemmenden Bilderfluten aus allen Medien, zu einem eigenen mehrere Wissenschaften übergreifenden Fach, der Bildtheorie, geworden ist. Diese Diskussion hat die Kunstgeschichte erschüttert und verunsichert, und viele Kunsthistoriker sehen ihre Überlebenschance darin, sich zu Bildwissenschaftlern im allgemeinen zu wandeln. Statt
Kunstgeschichtlicher Interpretation also „visual studies“! Ja, es ist ein Bild, wenn wir alte Voraussetzungen aufgeben, wie die, ein Bild sei ein Abbild, es repräsentiere etwas aus, habe eine Entsprechung in der Wirklichkeit, in einem Bild geschehe etwas, ein Bild erzähle etwas, es müsse eine Komposition erkennen lassen, einen Gestaltungswillen, alles Glaubenssätze, die ja schon Anfang des
Bei der Betrachtung von Bildern kommt man im allgemeinen mit den Kategorien des Verstandes und dem Instrumentarium der Sprache recht weit. Aber mit der Logik und mit der Sprache ist einem Bild nicht gänzlich beizuommen. Auf Hovermann wie auch für Valkaite trifft daher die Erkenntnis von Max Imdahl zu, dass die Sinndichte des Bildes über die Möglichkeiten der sprachlichen Erfassung hinausgeht.
Hovermann nennt ihre Arbeitsweise "Untersuchungen". Sie untersucht, wie sie selbst sagt, "Farbe als Phänomen der Begegnung, Durchdringung von Licht und substantieller Materie , Farbe in ihrer Flüchtigkeit, Wandelbarkeit, Vergänglichkeit und Leichtigkeit.
Farbe im Spannungsfeld zwischen materieller Erscheinung und immaterieller Wirksamkeit."
Wer sich so konsequent wie auf einem spirituellen Weg jahrzehntelang mit der Farbe beschäftigt, rational und sinnlich, konnte dabei an den Praktikern und Theoretikern der Farbfeldmalerei nicht vorbeigehen. Natürlich hat sie sich die Protagonisten der Farbfeldmalerei angesehen, Mark Rothko, Morris Louis, Larry Poons, Frank Stella, Jules Olitzki, die mit dem Zusammenwirken und Gegeneinanderspielen von Farben experimentierten, aber viel mehr mit den Farben in ihrer Materialität, oder die wie Josef Albers die Wirkung von Farbe auf die Subjektivität der optischen Wahrnehmung untersuchten. Doch scheint mir die Kölner Künstlerin nicht so sehr an der wissenschaftlichen Aufarbeitung unseres Farbsehens interessiert zu sein als vielmehr an seiner sinnlichen Seite. Die Bilder oszillieren zwischen Reduktion und Sinnlichkeit. Sie gehen bis an die Grenze des Wahrnehmbaren, verlangen uns als Betrachtern ab, sich auf das sinnliche und hochgeistige Phänomen der Farbe und des Lichts einzulassen.
Wie die Farbe erscheint, ist relativ. Dies hängt von der Struktur des Bildträgers ab. Ich empfehle das Bild in bordeauxroter Farbe in der Mitte der Galerie näher anzusehen, die muschelförmige Struktur des Büttenkartons mit seinen Vertiefungen führt zu einer Verdichtung der Farbe an den Rändern der mikroskopisch kleinen Kuhlen, so dass ein Eindruck entsteht, als würden wir durch Kristallglas sehen. Das Nachmittagslicht auf der Stadtsaalempore, mit den Schatten der Fensterstreben zaubert wieder andere Farbkonstellationen. Der Terrakottaboden wirft warmrote Reflexe auf das Bild, und das Spotlight im Büro hebt, seiner Farbtemperatur entsprechend, die Gelbanteile der Farbwolke stärker hervor. Diese Phänomene, die wir uns im Alltag nicht bewusst machen, Hannah Hovermann macht sie uns auf dem Weg über unsere sinnliche Erfahrung bewusst. Sie untersuchte systematisch die Farbentstehung aus dem Licht, spielte sie, den ganzen Farbenkreis durchgehend, durch, und Sie arbeitete daran, die ganz besondere Qualität jedes Farbtons herauszufinden. Farbe hat eine Materialität, ihr eignet aber auch ein Immaterielles, Geistiges. Man braucht nicht soweit zu gehen, das bei Paul Klee oder bei Johannes Itten nachzulesen. Jeder hat selbst erfahren, wie die Farbe Blau im Unterschied zur Farbe Rot auf ihn wirkt. Hannah Hovermann befragt die in ihrer Energie gesteigerten Farben nach deren Eigenschaften zwischen Materialität und lmmaterialität.
Diese Position, nur am Licht und seiner Wirkung auf Farbe interessiert zu sein, hatte es schwer in einer Zeit, als die neue Figuration zum Mainstream wurde. Es gehörte Mut, Überzeugtsein und Durchhaltevermögen dazu, diese Nischenposition zu entwickeln und ihr treu zu bleiben. Stufenweise reduzierte die Künstlerin die Form in ihren Bildern. Sie nähert sich in ihrer Auffassung von Farbe religiösen Positionen, wie sie aus dem Mittelalter bekannt sind, wenn sie sagt: "So wie Farben sich im Licht verhalten, spiegeln sich spirituelle Wahrheiten darin“.
Evelina Velkaite, 1982 in Klaipeda/Litauen geboren, kann nach ihrem von 2004-10 absolvierten Studium des Kommunikationsdesigns an der Folkwang Universität der Künste sowie der Malerei/Grafik und Fotografie/Medien an der Freien Akademie der bildenden Künste in Essen und dem Master of Fine Arts-Studiengang von 2012-14 an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel auf eine beachtenswerte Serie von Ausstellungen zurückblicken. Die Boesner-Zeitschrift "Kunst und Material" widmete ihr 2014 eine Titelgeschichte. Es empfiehlt sich, anstatt auf Hervorhebungen anderer Betrachter zurückzugreifen, erst einmal selbst zu klären, was wir sehen. Wir tun dies praktischerweise an dem Bild, das Ihnen gegenüber prominent angeleuchtet ist.
Was sehen wir?
Das 95 x 110 cm große unbetitelte Bild, dessen Materialangaben "Öl, Lack, Tusche, Papier auf Leinwand" lauten, schafft einen Bildraum durch die suggestive Zentralperspektive. Die kubisch stilisierten Architekturkulissen, sie könnten Container meinen, laufen auf einen Fluchtpunkt im rechten Bildviertel zu, die Horizontlinie in mittlerer Höhe trennt einen hellblauen Boden von einem schwach rosafarbenen Himmel. Die perspektivischen Formen und Linien ziehen unseren Blick in die Tiefe. Am rechten Bildrand sehen wir ein höheres kubisches Gebäude, ebenfalls eine Industrieanmutung ausstrahlend. Zwischen den Gebäudereihen in der Mitte ein länglicher Quader, vielleicht ein Container, über dessen Dach oder Deckel eine unmotivierte Welle in der Bodenfarbe schwappt. Diese mittlere Form, die sogar durch einen Bodenschatten glaubhaft gemacht wird, ist aus eincollagiertem Millimeterpapier gebildet, sie ist seitlich von Graphitlinien wie von einem unordentlichen Gitter bedeckt. Diese zittrigen Linien gehen weiter, sie evozieren Lichtmasten und Stromleitungen, wodurch der ingenieursmäßige Eindruck der Lokalität noch verstärkt wird. Die Künstlerin arbeitet offenbar
gezielt mit Versatzstücken, die wir aus anderen Zusammenhängen kennen und die uns auf eine Wahrnehmungsspur bringen: ein Hafen- oder Industriegelände. Ebenso planmäßig dekonstruiert die Künstlerin aber diese unsere Vorstellung, indem sie Dinge hinzufügt, die in diese Vorstellung nicht passen wollen. Im oberen Teil des links stehenden Gebäudes sehen wir einen Wandstreifen in opakem braunen Lack, darüber einen Kubus in maigrüner Lackfarbe, der so eingefügt ist, als würde er schweben. Die kunstvoll erzeugte Raumillusion wird hier konterkariert. In der petrolfarbenen Fassade des linken großen Gebäudes schwebt eine gekräuselte, lyrische Linie, und an der Wand sind heftige Graffitistriche angebracht, Dinge, die man auf einem bewachten Werksgelände nicht erwartet.
„Meine Arbeit beschäftigte sich von Anfang an mit der Landschaft. Diese wurde immer abstrakter, bis schließlich ein Gebäude, eine Behausung (Serie „Sweet Home“) dazu gekommen sind. In den neuesten Arbeiten", - Einschub: die an der Bürowand hängen, ich empfehle die Betrachtung, sie sind sehr poetisch - "ist nur Landschaftliches in Ölfarbe zu sehen. Lack und grafische Linien sind nicht mehr da. Landschaft ist das zentrale Thema.“ So formuliert Evelina Velkaite den Schwerpunkt ihres Schaffens.
Man spürt in den Landschaftsbildern noch die Herkunft von ihrer Heimat an der Ostseeküste, obwohl diese neuen Landschaften ihre Inspiration dem flachen Niederrhein verdanken. Weite und Stille des Meeres bedeuten ihr viel. Die Weite in ihren Landschaften ist immer wieder da, auch in den wenig anheimelnden, an anonyme, menschenleere Industriebrachen erinnernden Stadtlandschaften. Sie zieht uns mit einfachen, aber suggestiven Mitteln hinein in unwirkliche, irreale und geheimnisvolle Räume.
Ihre hellen und farbintensiven Bilder - die großen Flächen sind durch hohen Weißanteil cremig und licht, führen unser Sehen sehr schnell auf Spuren, wir glauben schnell etwas verstanden zu haben, sie entziehen sich aber durch Störungen und durch Dekonstruktion eindeutiger Lesbarkeit. Velkaite bewegt sich an der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion, oszilliert hin und her, nimmt von da mal eine Zutat, mal von da, in einem sehr spontanen Arbeitsprozess, der sie selbst zu überraschen scheint. Im Unterschied zu vielen anderen Künstlern geht sie von groß angelegten skizzierten Formen nicht zu immer detaillierterer Konkretion. Sie geht den umgekehrten Weg, nimmt sich oft Fotos, auch Zeitungsfotos von Gebäuden, sogar Pressefotos von Unfällen, Katastrophen und Zerstörung, die sie in ihre Bilder einbaut und die sie im malerischen Prozess immer weiter reduziert. Übrig bleibt meist nur ein grober Umriss, eine Farbe. Die Farbigkeit wirkt scheinbar harmlos und heiter: transparent und aquarellig lasierend. Dieser Eindruck wird aber gerne gestört durch massige Formen in deckender, glänzender Lackfarbe. Sie fügt gestische Linien, Schriftfragmente, Materialfetzen hinzu, verdeckt allzu Gegenständliches, deckt ab und deckt auf. Formen lösen sich auf, werden ausgelöscht, überlagert und verschleiert.
In ihrem Arbeitsprozess halten sich Reflexion und Spontaneität die Waage. Wir sehen Spuren des Spontanen und Unmittelbaren, aber auch des Fragmentarischen und scheinbar Unvollendeten. Die Gesamtwirkung lässt sich als ein Pendeln zwischen klarer räumlicher Gegenständlichkeit und abstrakter Expressivität bezeichnen, gemalt mit scheinbar mit lässiger Hand, malerische Leichtigkeit verströmend und damit die kalkulierte Komposition überspielend, ein Oszillieren zwischen heiterer Harmlosigkeit, sie trifft damit vielleicht das Gefühl, das wir uns wünschen, und verstörender Ungemütlichkeit, das Gefühl, das wir allzu oft in unserer eigenen Umgebung wahrnehmen.
Velkaites Malerei wirkt leicht und bei allem Reflektieren und Konstruieren spontan und etwas spielerisch, selbst wenn es um unsere von Technik und Industrie bestimmten Lebenswelten geht. Ihr geht es nicht um das Abbild von Wirklichkeit, sie scheint mit ihren bildnerischen Mitteln spielen zu wollen, mit den Ingredienzen von Farbe, Linien, Wirklichkeitsfragmenten und Perspektive eine eigene, nur von ihr erfundene Bildwirklichkeit schaffen zu wollen, in der nichts wahr im klassischen Sinne ist. Sie spielt einfach damit, dass sich Bilder in unserer Vorstellung aufbauen.
Dies gilt auch für ihre neuen kleinen Landschaften, die uns ganz poetisch ansprechen. Ausfransende Farbflächen, gegeneinander gesetzt, die Andeutung einer zittrigen Linie, und schon sind wir durch eine Dünenlandschaft oder einen Gebirgsgrat verzaubert. So sind wir eben durch tausende Seheindrücke der Jahre, abgelagert in unserem Gehirn, konditioniert, dass wir, wenn uns ein Ausschnitt im
Querformat mit der Andeutung eines Horizonts entgegenkommt, sofort an Landschaft denken. Diese unsere Sehnsuchtorte! Die Reduktion von Landschaft auf zwei, drei Formelemente, auf Farben, die eine Stimmung auslösen, sie ist uns seit den Skizzen der Niederländer immer wieder begegnet, auch später bei allen reisenden Malern, die vor Ort skizzierten, auch bei den Impressionisten, und hier begegnet sie uns wieder, mit den alten malerischen Verfahren, aber frisch und neu. Im Unterschied zu den Stadt- und Industrielandschaften, aus denen ein verstörendes Gefühl unserer zerrissenen modernen Gegenwart entströmt, verneigt sich die Malerin hier vor der Natur, die immer noch die alte zu sein scheint. Was keinen Widerspruch andeuten soll, vielmehr aber die Spannweite des Weltverständnisses, der künstlerischen Materialien und des Ausdrucks dieser Künstlerin.
Ich wünsche Ihnen beim Betrachten viele Einsichten und viele sinnliche Erfahrungen.
Helmut Kesberg, 15.9. 2017