Referenzen / References

Die Kunst der Aquarellmalerei von Hannah A. Hovermann als Konkrete Kunst im universalistischen Raum

Protokoll einer Begegnung anlässlich der Ausstellung im Museum Kunsthaus Rehau vom 18.01.2019 - 29.03.2019

Ort der Begegnung ist das Kunsthaus Rehau, das seit dem Jahr 2000 der konstruktiven Kunst und der konkreten Poesie Heimstatt und Wirkungsort bietet. Emblemartig steht vor dem Kunsthaus die Pavillon-Skulptur, 1969 -1975, von Max Bill, dessen Bekanntschaft der Gründer 1944 in Zürich machte. Der vielseitige Schweizer Künstler Bill genießt in Rehau Gedenken und Verehrung, auch von der Stadtverwaltung, die um die Pflege der Holzskulptur bemüht ist und den hinführenden Weg 2017 „Max Bill Weg“ genannt hat.

In der Galerie im 1. Stock finden seit Beginn Wechselausstellungen statt. Ein spezieller Raum dient den Begegnungen und Diskussionen zu Fragen der konstruktiven Kunst, wozu das Kunsthaus Rehau begehrte Anlaufstelle für Künstler und international Interessierte an der Konstruktivität in Wort und Bild ist.

Die Begegnung mit dem Werk von Hannah A. Hovermann kann als Ausnahmefall bezeichnet werden, da auf den ersten Blick das Arbeiten mit Aquarellfarbe noch keine Aufnahme in die Ausstellungstätigkeit der konkreten und konstruktiven Kunst gefunden hat, noch bisher in die entsprechenden Sammlungen aufgenommen worden ist.

Die Künstlerin gehört einer Generation an, welche der Homogenität, die einst das Versprechen der gesamten konkreten Kunst war, insbesondere ihres mathematischen Zweiges, der konstruktiven Kunst, verlustig ging. Schon zur Zeit ihrer Ausbildung, Ihres Kunststudiums wurde sie der zunehmenden Bedeutungslosigkeit aller Aussagen im gesellschaftlichen Rahmen von Kultur und Kunst bewusst.
Sie wandte sich der Freiheit, ihrer Freiheit zu, die nur im freigewählten authentischen Weg zu begründen war.
Ihre biografischen Daten machen verständlich, dass Ihr künstlerisches Anliegen darin besteht, Kunst "jenseits jeglicher intellektueller Gewissheit, im Raum des Undefinierten, Prozesshaften und der intuitiven Wahrnehmung dienend" zu schaffen.

Was sich zunächst als harter Schnitt mit der 'Tradition' der Konkreten Kunst anhört, hat jedoch in der konkret konstruktiven Kunst bereits vor Jahrzehnten Vorläufer und Vordenker, was zu mehreren Abweichungen vom Dogmatismus führte, da sich so etwas wie ein 'Manierismus des Konstruktiven' eingelebt hat, der in seiner Äußerlichkeit weit mehr angenommen wurde als das einfache Festhalten an den geistigen Forderungen der Pioniere. Dabei ist nicht zu verkennen, dass deren Theorie einst durchaus nicht als Einheitlichkeit des Denkens zu verstehen ist und auch zu ihrer hohen Zeit Wissen und Forschen in anderen Bereichen – zum Beispiel auf den Feldern der Relativität und der Psychologie – Einfluss hatten. Bekannt ist das Schema über die Ausdrucksarten der konkreten Malerei, das Max Bill 1945 im Bulletin der Galerie des Eaux Vives in Zürich publizierte. Es stellt einen geometrischen und einen ungeometrischen Teil dar, wobei der letztere sich aus „psychischer Konkretion“ und „absoluter Malerei“ zusammensetzt. Zum selben Zeitpunkt publizierte die Galerie eine Schrift des Psychologen Johannes M. Sorge zur komplementären Betrachtungsweise der damals neuen Kunst. Er spricht von alogischer Konkretion und einer ausschließlichen Leitung des Malers von seinem Harmoniegefühl, das kosmische Gesetzmäßigkeiten zum Ausdruck bringt.

Die Übereinstimmung der alogischen Konkretion des Psychologen zu Beginn der zweiten Stufe der konkreten Kunst und der 'Absoluten Malerei' mit dem Credo von Hannah A. Hovermann ist verblüffend kompatibel, was auf einen wesentlichen Teil von Bildung und Gehalt der konkreten Kunst überhaupt schließen lässt.

Die Künstlerin weist mit ihrer Arbeit in Aquarellfarbe der konkreten Kunst in sehr spezieller konzentrierter Weise erweiterte Bedeutung zu.
Sie erklärt Farbe zum einzigen Thema ihrer Malerei. Farbe ist Thema „als Phänomen der Begegnung/Durchdringung von Licht und substanzieller Materie. Sie ist Thema als Phänomen in Flüchtigkeit, Wandelbarkeit, Vergänglichkeit und Leichtigkeit“.
Indem die Künstlerin Farbe als Lichtphänomen malerisch untersucht, verzichtet sie auf definierte„Grenzen“, denn Licht „strahlt“ unbegrenzt.

Der Ausstellung, welcher die Begegnung zu danken ist, gibt sie die folgenden handwerklich pragmatischen Sätze mit und gleichzeitig deutet sie darin den universalistischen Raum an, in dem ihre Bildkunst letztlich integraler Teil ist:

„So arbeite ich in diffusen Farbverläufen und meist ist die einzige exakte "Grenze" in den Arbeiten die - vorgegebene – Begrenzung des Malgrundes, des Bildraumes.
Da diese rein technische Begrenzung keinen inhaltlichen Bezug hat, bestehen die Arbeiten inzwischen meist aus farbigen Fragmenten, die im Weiß des Bildraumes erscheinen und vergehen – das entstandene Werk ist so nicht mehr ein in sich geschlossenes, definiertes „Bild“, sondern ein willkürlicher Ausschnitt aus einem größeren – nicht fassbaren und nicht definierbaren – Ganzen.“

© Prof. Eugen Gomringer, April 2019